Kategorie: Stories&Boulevard

Was lange währt, wird endlich gut

Mit dem Gewinn des deutschen Handball-Doubles hat die SG Flensburg-Handewitt eine herausragende Saison gekrönt. Zwei Wochen nach der erfolgreichen Verteidigung des DHB-Pokals ist der Verein von der dänischen Grenze erstmals auch deutscher Männer-Meister.

THW Kiel - Die Nr. 2 im Norden!

Insgesamt fünf Mal war die 1990 aus der SG Weiche-Handewitt hervorgegangene Spielgemeinschaft als Tabellenzweiter der Bundesliga knapp gescheitert. Prompt musste sie sich von den Fans des erfolgreichen Nachbarn und Erzrivalen THW Kiel als „Vize-Witz“ verhöhnen lassen. Das ist nun vorbei.

„Hier hat sich etwas gebildet, das auch in Zukunft Großes leisten kann. Viele Menschen ziehen im Hintergrund an einem Strang“, sagt Geschäftsführer Thorsten Storm, der im Juli 2002 ausgerechnet vom THW Kiel gekommen war und wohl so etwas wie das „Sieger-Gen“ mit nach Flensburg brachte.

Der 39 Jahre alte ehemalige THW-Marketingleiter, der einst selbst als Rechtsaußen bei der SG gespielt hatte (1985-89), krempelte den Verein gehörig um, trennte sich von Ikonen wie Trainer Erik Veje Rasmussen und Kapitän Jan Fegter.

Auch Co-Geschäftsführer Dierk Schmäschke ging im Sommer 2003, weil er den bedingunglos erfolgsorientierten Kurs von Storm nicht mittragen wollte. In Kent-Harry Andersson fand Storm einen kongenialen Partner. Der neue Trainer strukturierte die Mannschaft, die schon lange einen schnellen und attraktiven Handball spielen konnte, der es aber an Konstanz und Nervenstärke mangelte.

Der 56-jährige Schwede, der stets eine unerschütterliche Ruhe ausstrahlt, definierte im Gegensatz zu seinem Vorgänger eine Stammbesetzung mit klarer Hierarchie. Kapitän Sören Stryger und Lars Krogh Jeppesen, der jetzt zum FC Barcelona wechselt, reiften zu absoluten Führungspersönlichkeiten.

Zudem „entdeckten“ Storm und Andersson den Norweger Johnny Jensen, der beim ThSV Eisenach als Mann fürs Grobe galt. In Flensburg entwickelte sich der Abwehrspezialist Jensen zur Überraschung der gesamten Branche zu einem der besten Kreisläufer der Liga.

„Unsere Neuen haben uns mächtig nach vorn gebracht“, meint auch Jan Holpert, der 36-Jährige Torwartveteran, der mit der SG seit 1993 insgesamt elf zweite Plätze durchlitten hatte.

[Quelle: sportal.de – 16.05.2004]

Ein Titel für das angekratzte Image

Als ein Reporter der „Zeit“ im Dezember 2003 Flensburg besuchte, um für eine Wirtschaftsreportage zu recherchieren, konnte niemand ahnen, daß seine Geschichte eine ganze Stadt lähmen würde. „Flensburg schrumpft“ stand ein paar Tage später in der Hamburger Wochenzeitung, und das war noch die vorsichtigste Aussage über die Stadt an der dänischen Grenze. Die gesamte Ausrichtung der Reportage hätte man aus einer Rangliste herauslesen können, die weiter hinten abgedruckt war: Da lag Flensburg auf Rang 465 einer Tabelle, die das Wirtschaftswachstum in Deutschland der vergangenen fünf Jahre abbildete. Schlechter waren nur noch Görlitz, die Oberlausitz und das Leipziger Land.

Flensburg Viertletzter, Flensburg als Beispiel für den wirtschaftlichen Niedergang einer ehemals prosperierenden Stadt, die lange von der Zonenrandförderung profitierte. Flensburg also ein großer Verlierer der deutschen Vereinigung? Es gab nur ein Gesprächsthema in der Stadt.

Thorsten Storm erinnert sich gut an diesen Artikel, überall ist er darauf angesprochen worden. Freunde fragten: „Wo lebst du denn?“ Er sagt: „Ich glaube nicht an solche Statistiken. Man kann Flensburg nicht in den Ruhrpott stecken. Wir sind, wie wir sind. Mit allen Chancen und Problemen.“ Ein halbes Jahr später spricht niemand mehr in der von Landflucht ausgezehrten, armen und in vielen Vierteln unansehnlich gewordenen Fördestadt vom schlechten Image.

Seit Wochen gibt es nur ein Thema: die SG Flensburg-Handewitt. Storm ist Manager des Handballvereins. An diesem Sonntag könnte das liebste Kind der Stadt im Spiel gegen die HSG Nordhorn Deutscher Meister werden; ein Punkt fehlt noch zum Titel.
Es wäre die erste Meisterschaft für die SG nach fünf zweiten Plätzen in den vergangenen acht Spielzeiten. Storm sagt: „Für Flensburg und die Region Südjütland wäre die Meisterschaft ein Jahrhundertereignis.“

Für die Menschen hier – immer etwas skeptisch, immer etwas nörgelig – wäre die Meisterschaft der Handballspieler, von denen nur noch Torwart Jan Holpert aus Flensburg kommt, eine Injektion Selbstvertrauen und Stolz. „Nicht jeder in so einer wirtschaftsschwachen Region kann segeln oder Golf spielen“, sagt Storm, „wir brauchen hier oben etwas für alle. Das ist die SG.“ Bisher endeten die Gedanken immer beim großen Konkurrenten in Kiel – und hatte man den THW einmal pro Saison geschlagen, wurde man gern am Ende nur Zweiter hinter Lemgo oder Magdeburg.

Seit einem Jahr, seit Kent-Harry Andersson Trainer und Storm Manager ist, heißt das neue Motto: „Think big!“ Sechsmal nacheinander hat die SG den THW jetzt besiegt, Pokalsieger ist man schon.

Storm vergleicht die SG gern mit Werder Bremen, den THW mit den Bayern. Das paßt natürlich wunderbar in diesem Jahr. „Unsere Möglichkeiten werden immer geringer sein als die von Kiel“, sagt er. Die Ostseehalle, stets mit 10500 Zuschauern gefüllt, gilt als Kieler Lebensversicherung.

In Flensburg ist alles ein paar Nummern kleiner. Und trotzdem hat sich die SG in der vergangenen Dekade zu einem europäischen Spitzenteam entwickelt. In diesem Jahr nun ist die Mannschaft gereift, der ruhige Trainer Andersson hat ihr ein System verpaßt, das Gelassenheit auch bei Rückständen und in engen Situationen vorschreibt. Die Spieler werden in kein Korsett geschnürt. Manchmal hat sich der 55 Jahre alte Schwede über den präsenten, vorpreschenden Storm gewundert. Doch der Erfolg spricht für beide; ihr Verhältnis ist freundschaftlich.

Storm mag in Flensburg keine Standortnachteile erkennen. Die Einnahmen aus Sponsoring und Werbung hat der Manager in Zeiten der gesamtwirtschaftlichen Flaute um etwa 20 Prozent oder eine halbe Million Euro im Vergleich zum Vorjahr gesteigert.

„In den Verhandlungen mit den Spielern muß ich meine Vorteile darstellen“, sagt er, „wir haben einen erstklassigen Trainer, wir zahlen pünktlich, wir haben die Natur hier, Wasser und gute Luft, und die Spieler kriegen ihre Häuser relativ billig und können gerade mit Kindern sorgenfreier leben als in Großstädten.“ Aber Storm weiß, daß er nicht mitbieten kann, wenn sein Spitzenspieler Lars Krogh Jeppesen sagt, er möchte auch deswegen zum FC Barcelona gehen, um in dieser phantastischen Stadt zu leben – der Däne hat dort Anfang Februar einen Vertrag bis 2009 unterschrieben.

Trotzdem bleibt Flensburg die interessanteste Adresse für Spieler aus dem Norden. „Das ist unser Standortvorteil“, sagt Storm, „Städte wie Flensburg, Ystad und Stavanger sind ähnlich, Hafenstädte eben, da gibt keiner seine Wurzeln auf, wenn er wechselt.“ Storm will aus der SG eine nationale Marke machen.

Doch das ist ein langer Weg mit allen Mühen der Ebene – der sperrige Vereinsname, das veraltete Emblem. „Wir wollen nicht mehr die Kuschel-SG von früher sein“, sagt der Manager, „wir sehen uns als leistungsstarkes Unternehmen.“

Bei der Akquise regionaler Sponsoren sind alle Klubs längst an ihre Grenzen gelangt, auch die SG Flensburg-Handewitt. Jetzt möchte die SG große, deutsche Unternehmen für sich gewinnen. Storm sagt: „Wir brauchen einen Generator für die Entwicklung der Marke.“ In Flensburg wird die SG am Sonntag erst einmal den größten Bierausstoß in der Geschichte der Brauerei generieren. [Frank Heike]

[Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.05.2004]

Flensburger Party steigt schon vor dem Spiel

Noch hat der „Ewige Zweite“ die erste Deutsche Handball-Meisterschaft nicht unter Dach und Fach gebracht, doch die große Party geht bei der SG Flensburg-Handewitt schon drei Stunden vor Spielbeginn los. „Ich finde das ein bisschen blöd. Wir müssen doch erst noch spielen und einen Punkt holen“, sagt Trainer Kent-Harry Andersson vor dem Duell gegen seinen Ex-Club HSG Nordhorn und fordert von seinen Spielern „volle Konzentration“.

Vor den letzten zwei Spieltagen in der Handball-Bundesliga führen die Flensburger mit vier Punkten Vorsprung vor dem Erzrivalen THW Kiel und haben auch das um 33 Treffern bessere Torverhältnis.

THW Kiel - Die Nr. 2 im Norden!

Doch angesichts der fünf Vize-Meisterschaften seit 1996 sagt Kapitän Jan Holpert: „Nach allem was ich erlebt habe, glaube ich erst an die Meisterschaft, wenn ich die Schale in der Hand habe. Dann wird nicht nur mir ein großer Stein vom Herzen fallen.“

Diesmal ist der große Wurf beim frisch gebackenen Pokalsieger und Champions-League-Finalisten fest eingeplant. Direkt vor der Campushalle, die zur „Schampushalle“ werden soll, wird eine große Showbühne aufgebaut, vor der 10 000 Fans feiern werden. „Das Double wäre ein Jahrhundertereignis für die Menschen in dieser Region und für die Stadt Flensburg“, sagt Manager Thorsten Storm. Schon drei Stunden vor Spielbeginn wird die Sause vor der „Hölle Nord“ eröffnet.

Die Mannschaft freilich wird nichts am gewohnten Ablauf vor dem Spiel ändern: „Wir machen alles so wie immer“, sagt Andersson. „Es kann noch alles schief gehen, denn Nordhorn hat eine sehr starke Mannschaft.“
Vor dem Anwurf werden die scheidenden Spieler Pierre Thorsson, Kjetil Strand und Lars Krogh Jeppesen verabschiedet. Auf einer Videowand wird danach das letzte Heimspiel der SG in dieser Saison live übertragen. Ein großes Feuerwerk soll nach getaner Arbeit den erfolgreichsten Tag in der Vereinsgeschichte des Clubs krönen.

„Die Fete wird mit Sicherheit sehr lange dauern“, sagt SG-Sprecher Björn Goos. Falls nicht Nordhorn den Flensburgern einen Strich durch die Rechnung macht, denn dann wird es noch einmal eng. Flensburg muss am letzten Spieltag im brisanten Nordderby beim HSV Hamburg antreten. Kiel kann gegen die Tabellen-Kellerkinder Stralsund und Kronau/Östringen etwas für das Torverhältnis tun.

[Quelle: dpa – 14.05.2004]

SG wehrt Glückwünsche noch ab

Am Sonntag (15 Uhr) strebt die SG Flensburg-Handewitt im Spiel gegen die HSG Nordhorn den letzten fehlenden Punkt zum Titelgewinn an. Danach will Trainer Andersson feiern – mit den SG-Fans und den Freunden aus Nordhorn. Flensburg

Flensburg – Nein, nein, und nochmals nein. Gratulationen zur deutschen Handball-Meisterschaft will Flensburgs Trainer Kent-Harry Andersson partout nicht annehmen. Nicht, solange der letzte Punkt noch fehlt, um auch rechnerisch nicht mehr vom THW Kiel eingeholt werden zu können. „Wir müssen noch abwarten“, sagt der Schwede, weiß aber sehr wohl um die hervorragende Ausgangsposition der SG Flensburg-Handewitt: „Zum Glück haben wir zwei Möglichkeiten, den letzten Punkt noch zu holen. Es sieht ganz gut aus.“

Die erste Chance haben die Flensburger am kommenden Sonntag (15 Uhr) vor heimischem Publikum gegen – die HSG Nordhorn, Anderssons Ex-Club. Ausgerechnet. „Das wäre für mich persönlich sehr schön, gegen die HSG die Meisterschaft perfekt zu machen und danach mit Bernd Rigterink, Ola Lindgren und den vielen Freunden aus Nordhorn in der Campushalle zu feiern“, sagt Andersson. Mit Manager Rigterink und Trainer Lindgren ist der SG-Trainer ständig in Kontakt, auch vor dem Spiel gegeneinander. „Klar telefonieren wir, in diesen Tagen reden wir aber nicht über die Partie und mögliche Aufstellungen“, betont Andersson.

Dabei würde den Ex-Nordhorner schon interessieren, inwieweit Trainerkollege Lindgren auf den lange verletzten Ljubomir Vranjes setzen kann. „Mit Ljubomir auf der Position des Spielmachers ist die Nordhorner Mannschaft eine ganz andere“, weiß Kent-Harry Andersson, der den nur 1,68 Meter großen Schweden im Jahr 2001 in die Vechtestadt gelotst hatte. Wie wertvoll Vranjes für die Nordhorner ist, deutete er in der Partie gegen Pfullingen schon wieder an: Zehn Minuten lang sorgte er für Ordnung im HSG-Spiel, ehe er die rote Karte sah. Ob die Schulter nach schwieriger Verletzung der Belastung einer Bundesligapartie standgehalten habe, konnte HSG-Coach Lindgren nicht sagen: „Er hat ja nicht so lange gespielt.“

Aber auch wenn Vranjes am Sonntag in Flensburg nicht in der Nordhorner Startformationen stehen sollte, warnt Kent-Harry Andersson. „Ich habe 100 Prozent Respekt vor der HSG“, betont er, „es ist ein starkes Team, hat in dieser Saison leider nur viel Pech gehabt.“ Da lief die Spielzeit für die Spielgemeinschaft aus Flensburg und Handewitt schon besser: in der Champions League das Finale erreicht, den DHB-Pokal gewonnen, in der Bundesliga kurz vor dem Titelgewinn. Doch was macht die Stärke der Flensburger in dieser Saison aus? „Natürlich haben wir viele gute Spieler“, meint Andersson, „aber es reicht nicht, nur Stars zu haben. Auch das Zusammenspiel muss funktionieren.“

Der vor Saisonbeginn zur SG gestoßene Trainer hat zudem „von Beginn an eine tolle Stimmung im Team“ ausgemacht. „Es herrscht ein skandinavisches Klima, so ähnlich wie in Nordhorn“, sagt Andersson. Die Parallelen zwischen Nordhorn und Flensburg sind damit nicht ausgeschöpft: „Wir spielen beide ganz ähnlich Handball, mit einer guten 6:0-Abwehr und schnellen Spielzügen nach vorne“, sagt er. Nur, dass die Flensburger in dieser Saison von Erfolg zu Erfolg eilen. [how]

[Quelle: Grafschafter Nachrichten v. 14.05.2004]

Dank des Kantersieges praktisch uneinholbar – Flensburg vor erster Meisterschaft

Torjäger Lars Krogh Jeppesen hat bereits ganz genaue Vorstellungen vom Gewinn der ersten Deutschen Handball-Meisterschaft seiner SG Flensburg-Handewitt. „Jetzt schlagen wir nächsten Sonntag Nordhorn, und dann gibt es eine schöne Riesenparty“, sagte der dänische Rückraumspieler fröhlich grinsend nach dem souveränen 43:28-Sieg gegen GWD Minden.

Die SG liegt dank des Kantersieges zwei Spieltage vor dem Saisonende praktisch uneinholbar vor Verfolger THW Kiel – mit vier Punkten Vorsprung und der deutlich besseren Tordifferenz.

Trotz des deutlichen Vorsprungs lehnten die Verantwortlichen der SG am Samstagabend in Hannover voreilige Gratulationen noch ab. „Das ist noch zu früh“, konterte Trainer Kent-Harry Andersson, nachdem Mindens Coach Rainer Niemeyer gesagt hatte: „Ich sage jetzt schon mal herzlichen Glückwunsch zur Meisterschaft.“ Doch später am Abend gab auch der zurückhaltende Andersson schelmisch lächelnd zu: „Es sieht verdammt gut aus.“ Für den Coach wird es ein ganz besonderes Spiel, denn am kommenden Sonntag reicht ein Punkt im Heimspiel gegen die HSG Nordhorn, seinen alten Club.

Angesichts der glänzenden Ausgangsposition sagte SG-Manager Thorsten Storm: „Das wird mit Sicherheit ein nettes Heimspiel, und wir machen ein Fass auf.“ Die etwa 400 mitgereisten Flensburger Fans feierten am Samstag in der Preussag-Arena von Hannover, wo der westfälische Traditionsclub sein Spiel absolvierte, als habe der Pokalsieger aus Schleswig-Holstein das Double bereits sicher. Zuvor hatten die SG-Anhänger gegen die überforderten Mindener eine Galavorstellung ihres Teams erlebt. Den hart erkämpften Sieg des THW Kiel gegen den SC Magdeburg am Nachmittag, der einen vorzeitigen Titelgewinn verhinderte, hatte Trainer Andersson nicht im Fernsehen verfolgt. Ich habe mir nur das Ergebnis geben lassen, aber das war ja keine Überraschung“, sagte er.

„Wir haben fast gar nicht von Kiel gesprochen», versicherte Sören Stryger. Das Selbstbewusstsein der SG, die den Ruf des „ewigen Zweiten“ mit dem Double ablegen will, drückte er unmissverständlich aus: „Wir wollen die Meisterschaft selber entscheiden.“

[Quelle: dpa/sid/sf – 09.05.2004]

SZ Streiflicht: Handball-Europameisterschaft

„Schönheit“, schrieb Morgenstern, „ist empfundener Rhythmus. Rhythmus der Wellen, durch die uns alles Außen vermittelt wird.“ Wir, die wir mit ihm schwelgen, wollen versuchen, jene Wellen zu beschreiben. Es sind unermüdlich rollende, phantasievoll inszenierte Angriffswellen. Stephan hat den Ball, jetzt Schwarzer, schon kommt Kehrmann von rechts, wird angespielt, könnte aufs Tor werfen, aber noch hat die Welle ihre größte Kraft, ihre ganze Ästhetik nicht entfaltet. Kehrmann passt den Ball hoch in den Kreis, in den im selben Moment, nein, schon Augenblicke vorher, Jansen fliegt, dieser pickt mit seiner linken Hand den Ball und legt ihn sich, im Flug, in die rechte und wirft ihn um die Ecke, um den irritierten, zappelnden Torwart herum.

Und das geschieht so schnell, dass man vor dem Fernseher nicht einmal einen Schluck aus der Pulle nehmen kann. Wie monoton dagegen doch ein Fußballspiel ist! Wie lange es dauert, ehe ein Abstoß ausgeführt ist, der zu allem Unglück auch noch im Aus landet! Und wie einfallslos das Personal sich den Ball am eigenen Strafraum zuschiebt! Am verwerflichsten jedoch erscheint Freunden des Handballspiels der ebenso weibische wie unaufrichtige Charakter von Fußballern und ihren Trainern, wir sagen nur: Frings und Sammer. Freitagabend, Frings lässt sich vor dem herrlich leeren Tor fallen, um einen Elfmeter zu schinden, und Sammer macht ihn nicht zur Minna, sondern belobigt ihn noch als Schlitzohr. Unter ihren Schädeldecken muss sich etwas so verschoben haben, dass der Drang zum Betrügen sogar den Drang zum Torschuss überlagert.

Wir sind gerade Europameister geworden. Wir dürfen uns diese Grundsatzkritik erlauben. Nehmen jetzt aber den erhobenen Zeigefinger herunter. Führen ihn vors Videogerät. Play. Gespeichert wurden in elf Tagen acht Spiele der deutschen Handballer; wir können uns das Gejammere von Völlers Mädels gut vorstellen, wenn sie acht Spiele in elf Tagen zu bestreiten hätten, doch das nur nebenbei. Band läuft. Was ist das? Bitte, was soll das sein? Zu sehen ist grüner Rasen. Ja richtig, wir erinnern uns, dies ist ein englisches Fußballspiel, aufgenommen zu Weihnachten, nie gelöscht, weil: hin- und herrollende Wellen, stürmisch und klar. Campbell an die Außenlinie zu Bergkamp, dieser könnte sich in seinen Gegner hineindrehen, dann bekäme er Freistoß, aber ein solcher Gedanke ist ihm fremd, Bergkamp lässt den Ball über den Außenrist zu Henry fluppen, Doppelpass mit Parlour, und schon ist Henry frei vor dem Tor; er hat das ähnlich fabelhaft gemacht wie Jansen, unser übers Parkett fliegender Junge. Ach, wie schön, in England gibt es keine Waschlappenfußballer. Außerdem gibt es dort keine Handballer. Wenn es aber in England Waschlappenfußballer gäbe, brauchte auch England zum Ausgleich Handballer. Capito?

[Quelle: Süddeutsche Zeitung v. 03.02.2004]

Großes Handballfest – HSG Holstein Kiel/Kronshagen im Pokal gegen Lützellinden chancenlos

Die sportliche Sensation und selbst die erhoffte Schadensbegrenzung im Achtelfinale des DHB-Pokalwettbewerbs der Frauen zwischen dem Regionalligisten HSG Holstein Kiel/Kronshagen und dem Bundesligisten TV Lützellinden fiel zwar aus, aber mehr als 500 Fans ließen sich die gute Stimmung bei diesem Handballfest trotz der deftigern 9:32 (7:15)-Klatsche der Krabben gegen den mit internationalen Auswahlspielerinnen bestückten Gegner nicht vermiesen.

Nach einer respektablen ersten Halbzeit gingen die Holsteinerinnen im Angriffswirbel aus erster und zweiter Welle der erfolgreichsten weiblichen deutschen Mannschaft der letzten 20 Jahre mit wehenden Fahnen unter, wurden aber nach dem Schlusspfiff gemeinsam mit den Spielerinnen des siebenfachen Deutschen Meisters von den mehr als 500 Zuschauern mit einer finalen „la Ola“-Welle frenetisch gefeiert.

„Schade, nach dem frühen Ausfall von Katrin Maukel haben wir uns ein bisschen unter Wert verkauft“, zeigte sich HSG-Trainer Jan Strunk fortan spendabel, allen Akteurinnen zumindest ausreichend Spielanteile bei diesem handballerischen Höhepunkt zu verschaffen.

Die beste Kieler Torschützin humpelte bereits nach 16 Minuten mit einem Bänderriss und einer Zerrung der Achillessehne betrübt vom Parkett. „Ich bin bei einem Abwehrversuch ohne Feindberührung umgeknickt und dann hat es furchtbar geknackt“, rechnet die Polizeibeamtin, die eigentlich über die Feiertage Skilaufen wollte, mit einer vierwöchigen Zwangspause.

Nach dieser Hiobsbotschaft ging zwar kurzfristig ein Ruck durch das Kieler Team, aber auch wenn in der besten Phase der frühe 2:8-Rückstand dank der tollen Paraden von Torhüterin Christine Meyer innerhalb weniger Minuten auf 6:10 verkürzt werden konnte und jeder Treffer lautstark wie eine Meisterschaft bejubelt wurde, hatten die Krabben ihr Pulver nach der kurzen Trotzreaktion zu schnell verschossen.

Nur zwei mickrige Tore nach dem Seitenwechsel waren doch etwas mau. Gästecoach Dr. Hans-Jürgen Gerlach schimpfte allerdings an der Seitenlinie während der 60 Minuten sogar bei der lautstarken Gardinenpredigt in der Pause wie ein Rohrspatz auf seine Spielerinnen ein, aber die steigerten sich in der zweiten Halbzeit in einen Spielrausch und präsentierten sogar einige temporeiche Zaubereien.

„Nach der sehr schlechten Leistung in der Anfangsphase
Haben wir uns einigermaßen gesteigert. Die Atmosphäre hier in Kiel war allein die Reise wert. Hauptsache, wir sind nun eine Runde weiter“, sagte Lützellindens Coach.

HSG: Meyer, Wulf, Jungjohann – Mordhorst, Carlsson, Maukel 1/1, Hansen 1, Ziegler 1, Thoma 2, Köhn 2/1, Rathjen 1, Schulz 1.

[Quelle: Kieler Nachrichten v. 23.12.2002]

DHB-Pokal Achtelfinale – Pokalsplitter

* TV-Übertragung: Der Offene Kanal Kiel überträgt das Pokalspiel am 28. Dezember (14.15 Uhr) in voller Länge.

* Prominenz: Auch die lokale Politik- und Sport-Prominenz war dabei. Die Bundestagsabgeordnete Angelika Volquartz wollte ebenso Pokal-Luft schnuppern wie Kronshagens Bürgermeister Wolf-Dietrich Wilhelms und die Kieler Sportamtsleiterin Birgit Lucht, die vor zehn Jahren selbst noch am Kreis bei SW Elmschenhagen wirbelte. Die THW-Torhüter Henning Fritz und Mattias Andersson drückten auf der Tribüne die Daumen. Während bei Anderssons Freundin Anna Carlsson der Schweiß in Strömen floss, zapfte ihr Lebensgefährte in der Halbzeit Gerstensaft und Punsch für einen guten Vereinszweck.

* Gewinn: „So viele Zuschauer wie heute hatten wir seit zehn Jahren nicht mehr“, jubelte „Schatzmeister“ Klaus Rohde angesichts der 420 zahlenden Gäste. Da auch das Owschlager Schiri-Gespann kostengünstig war und sich die Fahrtgelder der Gäste im Rahmen bewegten, fiel letztlich nach Teilung der Einnahmen sogar ein Gewinn von 300 Euro für die HSG ab.

[Quelle: Kieler Nachrichten v. 23.12.2002]

Kiel schwimmt oft kieloben

KIEL. Letztlich war der Regionalligist HSG Holstein Kiel/Kronshagen kein ernsthafter Prüfstein für die Erstliga-Handballerinnen des TV Gießen-Lützellinden.

Mit 32:9 (15:7) setzte sich das Team von Trainer Jürgen Gerlach im Achtelfinale des DHB-Pokals der Frauen durch und kann nun mit einem guten Los im Viertelfinale hoffen, die Endrunde zu erreichen.

„Besonders in der ersten Halbzeit gab es noch unverständliche technische Fehler, Ballverluste und Fehlwürfe. In der zweiten Halbzeit haben wir es dann aber wesentlich besser gemacht,“ war Gerlach nicht ganz zufrieden.

Trotz der schnellen 3:0- und 8:1-Führung (13.), Manuela Fiedel hatte den TVL schon nach 34 Sekunden in Führung gebracht, lief es in der ersten Halbzeit im Angriff nicht richtig rund. Mehrfach schlichen sich technische Fehler ins Spiel des Gastes ein. Zwischen der 18. und 26. Minute gar lief bei Lützellinden nichts mehr, selbst beste Chancen wurden ausgelassen. Als dann auch noch Anita Koljanin mit ihrem dritten Siebenmeter an Kiels Torfrau Meyer scheiterte, merkten die Gastgeberinnen, dass auch der TV Lützellinden nur mit Wasser kocht.

Holstein/Kronshagen nahm das Herz in beide Hände. Während die Kielerinnen anfänglich kein Durchkommen in der TVL-Abwehr hatten, fanden sie nun Lücken. Bis auf 6:10 (23.) kämpften sich die Gastgeberinnen heran.

„Wäre Katrin Maukel nicht zu diesem Zeitpunkt ausgefallen, wäre vielleicht ein wenig mehr drin gewesen“, beklagte Kiels Trainer Jan Strunk den Ausfall seiner einzigen Rückraumschützin, die körperlich mit dem Gast mithalten konnte.

So aber gab es für die Gastgeberinnen gegen den groß gewachsenen Abwehrblock des TVL nur wenig Chancen. In der Schlussphase des ersten Durchgang zog Lützellinden mit Tempospiel wieder auf 7:15 davon.

Nach dem Wechsel präsentierten sich die Mittelhessen wesentlich konzentrierter, profitierten aber auch von den zahlreichen technischen Fehlern der Gastgeberinnen. Bis zur 44. Minute war fast jeder Angriff ein Treffer. Der TVL zog auf 7:24 davon. Und nach einem erneuten kleinen Hänger bei der Gerlach-Truppe baute diese ab der 50. Minute die Führung standesgemäß auf 32:9 aus.

[Quelle: Giessener Anzeiger v. 23.12.2002]

„Leichtestes Spiel des Jahres“

Holstein morgen im Pokal-Hit ohne Ege

Mit dem Traumlos gegen den Bundesligisten TV Lützellinden im Achtelfinale des DHB-Pokals der Frauen wird für die Handballerinnen der HSG Holstein Kiel/Kronshagen morgen um 17 Uhr in der Sporthalle am Suchsdorfer Weg ein Wintermärchen wahr. Ein sportliches Wunder ist aber nicht zu erwarten, auch wenn der Pokal mitunter seine eigenen Geschichten schreibt.

„Alles andere als eine standesgemäße Niederlage mit 15 Toren Unterschied wäre für uns schon eine Riesensache“, gibt sich HSG-Trainer Jan Strunk vor dem Handball-Fest des Regionalligisten in fast ausverkaufter Halle locker wie eine Schneeflocke.

„Alle freuen sich über den Stellenwert dieser Partie in der Öffentlichkeit und dass so viele Zuschauer kommen. Es ist für uns das leichteste Spiel des Jahres“, so Strunk weiter.

Dementsprechend unverkrampft hatten die Krabben ihre taktische Abschlussbesprechung gestern Abend auch auf den Kieler Weihnachtsmarkt verlegt.

An eine Siegchance glaubt zwar niemand, aber einen geheimen Wunsch gab Jan Strunk dann doch preis: „Wenn wir uns im Pokal für das Final-Four in Riesa qualifizieren sollten, gebe ich meiner Mannschaft für den Rest der Rückrunde trainingsfrei.“

Seinen Kollegen Dr. Hans-Jürgen Gerlach, der seit mehr als 20 Jahren der Erfolgsgarant der besten deutschen Vereins-Frauenmannschaft ist, plagen dagegen zurzeit personelle und finanzielle Sorgen. In Gießen verdichten sich die Gerüchte, dass in der Vorweihnachtszeit das Geld knapp geworden sei. Insider wollen sogar von einem angedachten Streik der unzureichend bezahlten Spielerinnen gehört haben.

Einen drohenden Boykott verweist Dr. Gerlach ins Reich der Fabeln und fordert von seinem mit zahlreichen Nationalspielerinnen gespickten Team das Erreichen der nächsten Runde.

Eine schöne Bescherung für die Kieler Krabben mit dem erhofften Comeback von Lene Ege wird es höchstwahrscheinlich nicht geben. Die nach Spanien umgezogene Ausnahmespielerin befindet sich derzeit im Umzugsstress und pendelt zwischen Norwegen und ihrer neuen Heimat Gran Canaria.

Dr. Gerlach fürchtet ohnehin weder Ege noch den Teamgeist der HSG. „So gut war Lene in Buxtehude auch nicht. Von ihrer Sorte gibt es in der Bundesliga jede Menge.“

[Quelle: Kieler Nachrichten v. 19.12.2002]