Talant Duschebajew: „Ich will eine ganze Ära prägen“

SPIEGEL ONLINE lässt heute den Trainer des dreifachen spanischen Championsleague-Siegers Ciudad Real zu Wort kommen:

Gegen den THW Kiel glückte jüngst ein weiterer Triumph in der Champions League. Doch Ciudads Trainer Talant Duschebajew strebt nach mehr. Mit dem „Handball-Magazin“ sprach der 41-Jährige über Ehrgeiz, Auszehrung und eine mögliche Rückkehr in die Bundesliga.

Frage: Herr Duschebajew, Sie sind noch ein sehr junger Trainer. Woher wissen Sie, wann Sie welchen Spieler in den Spielen auswechseln müssen?

Duschebajew: Ich beobachte meine Mannschaft jeden Tag, unterhalte mich mit meinen Spielern, schaue sie mir zudem noch mal auf Video an. Jeder dieser 18 Athleten hat mein hundertprozentiges Vertrauen, sonst hätte ich ihn nicht genommen. Daraus erwächst eine Intuition und auch eine gewisse Routine für bestimmte Entscheidungen. Das soll aber nicht heißen, dass ich alles richtig mache.

Frage: Bisher haben Sie ziemlich viel richtig gemacht. Ende Mai holten die gegen Kiel den dritten Titel in der Champions League. In Spanien ist man sich schon sicher, Sie seien der beste Trainer der Welt.

Duschebajew: Ich kann zufrieden sein, dass die Leute das denken. Aber was bedeutet es schon? Erfolg ist immer vergänglich, man muss hart für ihn arbeiten. Ich bin ein sehr junger Trainer und mache gerade meine ersten Schritte in diesem Geschäft und noch sehr viele Fehler. Für mich sind die besten Trainer völlig andere.

Frage: Welche zum Beispiel?

Duschebajew: Der französische Nationaltrainer Claude Onesta ist für mich das Nonplusultra. Er sieht Dinge, die kein anderer wahrnimmt und entscheidet dann fast immer richtig. Aber auch Alfred Gislason vom THW Kiel oder der spanische Trainer Juan Carlos Pastor sind überragend. Ich habe noch nicht so viel Erfahrung wie sie und muss noch viel lernen.

Frage: Am Spielfeldrand wirken Sie sehr angespannt. Sie fuchteln mit den Armen, springen herum. Manchmal wirkt es wie ein Tanz. Im Alltag sind Sie sehr ruhig, manchmal zurückhaltend. Erkennen Sie sich eigentlich wieder, wenn Sie sich später im Fernsehen anschauen?

Duschebajew: Dann gucke ich manchmal schon weg. Ich arbeite ja daran, ruhiger zu werden. Aber es ist sehr schwer, ich fiebere eben mit. Und in manchen Spielen, wie dem Finale der Champions League, ist der Druck natürlich besonders groß. Manchmal lebt man dann mehr vom Herzen als vom Kopf.

Frage: Und Ihr starkes Zwinkern mit den Augen – ist das eine Reaktion auf den Stress?

Duschebajew: Nein, das habe ich auch in meinem alltäglichen Leben. Ich war zuletzt einige Male beim Augenarzt, und der hat mir gesagt, dass meine Augen altersbedingt schwächer werden. Sie produzieren nicht mehr genügend Flüssigkeit, deshalb muss ich häufiger und fester blinzeln. Wenn ich jedoch nervös bin, es kalt oder windig ist, dann geht es meinen Augen noch schlechter. Ich werde wohl in einigen Jahren eine Brille bekommen oder operiert werden müssen. Das Alter geht an mir eben nicht spurlos vorüber.

Frage: Können Sie noch Ihren unnachahmlichen Knickwurf, bei dem Sie manchmal quer in der Luft lagen?

Duschebajew: Nein, leider geht das nicht mehr. Für diese Technik bin ich zu alt. Mein Rücken würde das nicht mehr mitmachen. Den Wurf hat mir übrigens ein Jugendtrainer beigebracht, der mich häufig auf Rechtsaußen hat spielen lassen.

Frage: Heute bringen Sie Spielern etwas bei. Was ist Ihre Zielsetzung für die nächsten Jahre?

Duschebajew: Ich will noch sehr lange als Trainer arbeiten. Obwohl ich jetzt, am Ende der Saison, sehr müde bin. Aber ich habe Vorbilder wie den VfL Gummersbach der siebziger Jahre oder den FC Barcelona in den Neunzigern. Die haben eine ganze Ära geprägt. Das will ich mit Ciudad auch.

Frage: Wie geht es denn weiter mit Ciudad? Mit Olafur Stefansson verlässt Sie der momentan beste Halbrechte der Welt und geht zu den Rhein-Neckar Löwen. Ansgesichts der Wirtschaftskrise wird Ihr Präsident Domingo Diaz de Mera nicht mehr ganz so spendabel sein.

Duschebajew: Die Finanzkrise ist weltweit angekommen, so dass es jede Mannschaft hart trifft. Aber unser Präsident macht immer noch unheimlich viel und unterstützt das Team auf eine einmalige Art und Weise. Wir haben im Verein die klare Devise: Die Mannschaft steht über allem. Dabei ist es egal, ob ein Spieler geht oder ein anderer kommt. Wir müssen als Team funktionieren.

Frage: Glauben Sie, dass die Korruptionsaffäre dem Handball geschadet hat?

Duschebajew: Wir wissen doch heute immer noch nicht, was da alles passiert ist. Die Staatsanwaltschaften haben immer noch keine Ergebnisse geliefert. Einen Imageschaden hat der Sport bestimmt davon getragen, aber rechtlich ist bisher zu wenig passiert. Die Leute, die bestochen oder manipuliert haben, müssen jetzt erwischt und ausgetauscht werden. Diese Affäre ist auch eine große Chance für den Sport.

Frage: Sie sind ein großer Kritiker einzelner Missstände im Handball. Über den zu dicht gestrickten Spielplan haben Sie sich zuletzt immer häufiger aufgeregt.

Duschebajew: Olympia, Weltmeisterschaft, Champions League, Liga, Pokal – und das alles in einem Jahr. Und wer spielt da mit? Immer die gleichen Spieler – die Stars des Sports. Wer soll das körperlich aushalten? Wir machen mit diesem idiotischen Wettkampfkalender die Gesichter des Handballs kaputt. Es ist ein Krieg zwischen dem Weltverband und dem europäischen – und sie denken nicht an die Spieler. Das muss aufhören. Die Spieler brauchen mehr Pausen, sie sind das Kapital des Sports.

Frage: Wann sehen wir Sie denn in der Bundesliga wieder?

Duschebajew: Neben Spanien ist Deutschland mein Traumland. Ich spreche die Sprache ganz gut und habe dort noch viele Freunde. Außerdem habe ich als Spieler keine Titel in Deutschland gewinnen können. Das ärgert mich, und ich will das als Trainer irgendwann ändern. Aber solange meine Kinder noch zur Schule gehen, bleiben wir in Spanien. Danach kann ich mir die Bundesliga sehr gut vorstellen.