Erhard Wunderlich – der unbequeme Star

„Die Bilder von früher flimmern dieser Tage auf diversen TV-Kanälen. Immer als Appetit-Anreger gedacht für den großen Wurf, zu dem alle Nationen so kurz vor Beginn der Handball-WM (19. Januar bis 4. Februar 2007) ausholen. […].
Für Wunderlich, jüngster Spieler der WM-Mannschaft von 1978, eine spannende Zeitreise. „Technisch“, sagt er, „hätten wir sogar kleine Vorteile“. Denn da hat er, der kürzlich 50 Jahre alt gewordene einstige Rückraumspieler, durchaus „den ein oder anderen Mangel“ bei seinen Nachfolgern festgestellt.

Eine „höchst interessante Partie“ verspräche sich Wunderlich gar von einem Duell seines VfL Gummersbach von damals gegen den THW Kiel von heute. „Die Schnelle Mitte hätte ich geschätzt.“ Ein paar von der Mittellinie erzielte Tore, „so fünf oder sechs“, sind in seinem Gedächtnis gespeichert, die Fähigkeit, eine Spielsituation vor den anderen zu erkennen, sei damit belegt. Blitzartig und mit vollem Risiko nach vorne zu spielen, das hatte ihnen der Rumäne Petr Ivanescu eingetrichtert, „der kompletteste Trainer, den ich habe erleben dürfen“.

Die historische, regelbedingte Bremse: Die gegnerische Mannschaft musste sich nach einem Tor erst komplett in die eigene Hälfte zurückgezogen haben, bevor weitergespielt werden durfte. Wie sich der VfL vom THW getrennt hätte, wird sich nie ergründen lassen. […].

Postaktiv haben ihn renommierte Trainer 1999 zu Deutschlands Handballer des Jahrhunderts gewählt. Zu seiner Zeit war Wunderlich zweifellos einer der Größten, sammelte nationale und internationale Vereinstitel fast nach Belieben. Nur bei Olympia 1984 musste er sich mit Silber begnügen, ansonsten wurde er Weltmeister in Kopenhagen und triumphierte 13 Mal mit seinem VfL in unterschiedlichen Wettbewerben. Das genügte dem FC Barcelona, um den 2,04-Meter-Hünen mit einem Sensationsangebot von 2,5 Millionen Mark für einen Vier-Jahres-Vertrag nach Katalonien zu locken. Wunderlich willigte ein, kehrte aber schon nach einem Jahr zurück. Deutsche Zeitungen berichteten von Anpassungsproblemen des gebürtigen Augsburgers. Wunderlich regt diese Darstellung noch heute auf: „Ich hatte keine Anpassungsprobleme. Es war nur so, dass nicht erfüllt wurde, was vertraglich vereinbart war.“ Also buchte Wunderlich mit der ihm eigenen Konsequenz den Heimflug, im Gepäck, wie konnte es anders sein, einen Sieg im Finale des Europacups der Pokalsieger.

Störrisch – dieses Attribut haftet ihm seit jenen Tagen an wie der Harz den Handball verklebt. Ein unbequemer Star sei er gewesen. Er findet das nicht zutreffend („Ich bin ein relativ umgänglicher Mensch“), hat aber auch keinen großen Aufwand treiben wollen, es abzuschütteln. „Immer wenn ich etwas zu sagen hatte, habe ich es gesagt.“ Punkt. „Allerdings habe ich auch immer hinzugefügt, wie man etwas besser machen könnte.“ Natürlich gewann der „Sepp“, wie er als Bayer überall gerufen wurde, mit dieser Offenheit nicht nur Freunde.

Beispiel: Die Handball-Bundesliga hatte ihn gerade als neuen Berater vorgestellt, da war die Zusammenarbeit schon beendet. Magdeburgs Manager Bernd-Uwe Hildebrandt hatte die Liaison via „Sportbild“ kritisch kommentiert. Wunderlich: „Die Euphorie, die etliche Herren zuvor gezeigt hatten, stellte sich als Luftblase heraus. Und dann kam dieser Artikel, indem sich ein Mann negativ äußerte, der mich gar nicht kannte. Das muss ich nicht haben!“ Ein scharfer Schlussstrich, nicht der erste und bestimmt nicht der letzte.

[Quelle: Kieler Nachrichten v. 16.01.2007]